Fakten zu FGM_C

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Definition

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet als weibliche Genitalbeschneidung „alle Verfahren, die die teilweise oder vollständige Entfernung der äußeren, weiblichen Genitalien oder deren Verletzung zum Ziel haben, sei es aus kulturellen oder anderen, nicht therapeutischen Gründen.“ Herauszuheben sind die Worte „nicht therapeutisch“, denn es gibt medizinische Gründe, die einen Eingriff dieser Art notwendig machen.

Weiterlesen: Wie sieht es dann mit Schönheitsoperationen aus?

Entsprechend gibt es Stimmen, die in Schönheitsoperationen einen ähnlichen Hintergrund sehen, wir bei weibliche Genitalbeschneidung: Auch hier veranlasst möglicherweise gesellschaftlicher Druck Mädchen und Frauen, einem nicht therapeutischen Eingriff an sich durchführen zu lassen.

Wie sprechen wir mit den Betroffenen?

Wir empfehlen die Betriffe „Weibliche Genitalbeschneidung“ und „Mädchenbeschneidung“. Der Begriff „Weibliche Genitalverstümmelung“ wird von den betroffenen Frauen abgelehnt, weil sie sich davon diskriminiert fühlen.

Weiterlesen: Auf Augenhöhe begegnen

Auf Augenhöhe begegnen

Zunächst einmal ist es wichtig, den Menschen ohne jede Wertung begegnen zu können. Wenn wir FGM_C aus unserer europäischen Sicht heraus betrachten, scheint es schwer, mit Ablehnung zu reagieren. Das aber erzeugt Ablehnung auf Seiten der Betroffenen, weil sie das spüren werden. Es geht ganz einfach darum, dass hier Mädchen bedroht sind und Frauen Hilfe brauchen.

Oft wird es schlicht und einfach als Tradition bezeichnet, die wir hinzunehmen haben. Das darf aber nicht zu einer Gleichgültigkeit führen, denn es bleibt einfach eine schwere Menschenrechtsverletzung, die wir nicht hinnehmen können. FGM_C als „nicht unser Thema“ beiseitezuschieben, hilft nicht den Frauen und erst recht nicht den bedrohten Mädchen.

Wenn wir betroffenen Frauen begegnen, müssen wir uns im klaren sein, dass wir ihnen gegenüber in jedem Fall in einer herausgehobenen Position sind. Wir müssen entsprechend darauf achten, ein Gespräch auf Augenhöhe zu gewährleisten.

Weiterlesen: Terminologie „Genitalverstümmelung“ vs. „Genitalbeschneidung“

Von afrikanischen Aktivistinnen wurde vor 40 Jahren der Begriff female genital mutilation (FGM) geprägt, um die schwere Menschenrechtsverletzung deutlich zu machen. Die starke Lobbyarbeit der Frauenorganisationen haben auch dazugeführt, dass im politischen und rechtlichen Sprachgebrauch vorwiegend die deutsche Entsprechung „weibliche Genitalverstümmelung“ vorherrscht.

Die betroffenen Frauen lehnen den Begriff „Genitalverstümmelung“ ab, weil sie sich davon diskriminiert fühlen. Wir empfehlen daher den Begriff „weibliche Genitalbeschneidung“. Oft wird auch, wie vor allem in der Schweiz der Begriff „Mädchenbeschneidung“ verwendet. In allen sozialen Bereichen gilt: Sprich nie über Betroffene anders, als mit den Menschen.

Der entsprechende englische Begriff ist female genital cutting (FGC), wobei sich inzwischen der versöhnliche Begriff female genital mutilation / cutting, als FGM_C eingebürgert hat.

Weiterlesen: Warum wir den Begriff „Genitalbeschneidung“ bevorzugen

In allen sozialen Bereichen haben wir in den letzten Jahren gelernt, sensiblere Begriffe zu wählen und wir sind frei, den internationalen Begriff „Mutilation“ zu übersetzen.

Schauen wir in die deutschsprachigen Nachbarländer, sehen wir einen offeneren Umgang mit dem Begriff. In der Schweiz heißt das nationale Netzwerk sogar „Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung“ und die Webseite hat einen entsprechenden Namen.

Der Begriff fördert nicht die ohnehin schwierige Kommunikation zu den betroffenen Frauen, öffnet keine Türen, sondern lässt Menschen schaudern und zurückschrecken. Eine negativ-konnotierte Sprache kann nicht förderlich sein. Aus anderen sozialen Bereichen wissen wir, dass dadurch eine abschätzige Haltung gefördert werden kann.


Wie ist die Tradition entstanden?

In Ägypten

Der Ursprung könnte auf das pharaonische Ägypten zurückgehen, da an mumifizierten Frauen deutliche Spuren einer Beschneidung gefunden wurde. Das hieße, dass sie seit etwa 4.000 Jahren durchgeführt wird. Hinweise auf die Beschneidung weiblicher Geschlechtsorgane finden sich bereits in der Antike: eine Darstellung im Karnak-Tempel von etwa 1350 v. Chr. zeigt eine Beschneidungsszene.

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Die Menschen im Alten Ägypten glaubten an die Doppelgeschlechtlichkeit des Menschen, welche durch die äußeren Geschlechtsorgane erst sichtbar werde. Erst durch die Entfernung der Vorhaut, beziehungsweise der Klitoris werde das Geschlecht „rein“ und die geschlechtsspezifische und soziale Rollenbildung könne beginnen. Ein Mädchen könne nur die volle Weiblichkeit erlangen, wenn es ihren männlichen Zusatz, die Klitoris, verliere.

Einer ägyptischen Sage zufolge hatte ein Pharao in einer Prophezeiung erfahren, dass ihn ein Junge vom Thron stoßen werde. Daraufhin ließ der Pharao alle Frauen zunähen (Infibulation, auch „pharaonische Beschneidung“ genannt), um sie am Empfangen und Gebären von Kindern zu hindern. Quelle: Bundestag, Wissenschaftliche Dienste

In Europa

Aber auch in Europa wurden Frauen, wenn ihr Verhalten nicht den Vorstellungen der Männer entsprachen, mit einer Genitalbeschneidung bestraft. Bis ins 20. Jahrhundert hinein gab, von medizinischen Studien über ihre Wirksamkeit unterstützt, die weibliche Genitalbeschneidung in Europa

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In Europa weist Ambroise Paré (1510-1590) darauf hin, dass die Zusammenhänge zwischen Klitoris und Lust von „den Frauen missbraucht werden könne und diese daher zu binden oder zu schneiden seien“. Jean Riolan (ca. 1580-1657) fordert sogar die komplette Entfernung der Klitoris, um so die zügellose weibliche Sexualität zu disziplinieren.

Erst im 19. Jahrhundert wird in Fachkreisen die Beschneidung von Mädchen breiter diskutiert und praktiziert. Operative Entfernungen der Klitoris bis hin zur Verschließung der Genitalöffnung, werden zur Bekämpfung von „weiblichen Leiden“ wie Hysterie, Nervosität, Nymphomanie, Masturbation vorgenommen, um diese zu heilen.

Die Verbreitung der Klitoridektomie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fällt mit der mit der Anti-Masturbations-Debatte, der Idee der Reflexneurose und der allgemeinen Annahmen über weibliche Sexualität erklären. So wird Masturbation allgemein als eine Krankheit oder als krankheitsauslösend aufgefasst. Weiter nimmt man an, dass die weiblichen Genitalien Neurosen und Störungen, wie z.B. Hysterie, auslösen können. Zudem geht man davon aus, dass das weibliche Sexualverlangen und -empfinden grundsätzlich geringer sei als das des Mannes. Zeigt eine Frau ein von dieser Auffassung abweichende Verhalten, gilt dies als krankhafte Nymphomanie und somit als behandlungswürdig.

Auch wenn die Klitoridektomie in der Fachwelt des 19. Jahrhunderts in Europa kontrovers diskutiert wird und der Arzt Isaac Brown 1867 seine Entlassung beim „London Surgical Home“ einreicht, wird der Eingriff weiter vorgenommen.

Die letztmals bekanntgewordene Klitoridektomie in den USA gibt es 1953 bei einem zwölfjährigen Mädchen.

Wie wird die Tradition begründet

Es war schon immer so

In allen matriarchalen Gesellschaften hat es Formen der körperlichen Unterdrückung gegeben. Die weibliche Genitalbeschneidung ist sicherlich eine der brutalsten Formen und nur schwer zu besiegen. Die Beschneiderin sagt im Film „Bolokoli“: „Es war schon immer so!“

Weiterlesen Gründe

Keine Chance zu überleben

Vor allem in Ländern, in denen die Beschneidungsrate hoch ist, wird ein unbeschnittenes Mädchen kaum die Chance haben, einen Mann zu finden. Im Gegenteil ist sie und ihr Familie häufig direkten Anfeindungen ausgesetzt. Die wirtschaftliche Existenz der Familie wird ebenso in Frage gestellt oder sogar zerstört, wie die körperliche Unversehrtheit des Mädchens. Ihr Genital sieht anders aus, ist also „falsch“. Sie gilt als unrein, genießt keinen Schutz und wird von Männern häufig als Freiwild gesehen.

Schön und gesund

Wie bei uns, scheint in vielen Kulturen das weibliche Genital in seiner natürlichen Form nicht schön und erhaltenswert zu sein. Entsprechend fördern solche Vorstellungen FGM_C, wie bei uns Schönheitsoperationen.

Für uns kaum nachvollziehbar: Es gibt tatsächlich Vorstellungen, dass eine Beschneidung die Gesundheit und die Fruchtbarkeit der Frau fördert. Das geht soweit, dass die Vorstellung existiert, eine Beschneidung erleichtere Geburten – das Gegenteil ist natürlich der Fall.

Familiäre Zwänge

Wir kennen in Deutschland kaum noch die familiären Zwänge, die in traditionellen Kulturen das Leben der jungen Eltern bestimmen. Die Macht der Familie und vor allem die der Großmütter ist für uns schwer vorstellbar.

Für sie ist die Ablehnung einer Beschneidung wie eine Entmachtung, weil die Zeremonie als Initiationsritual für den Übergang vom Mädchen zur Frau von ihnen initiiert wird. Das damit verbundene Fest ist im Leben der alten Frauen extrem wichtig.

Alternativen und Auswege gesucht

Es gibt inzwischen überall Bestrebungen, alternative Rituale zu entwickeln. Das ist nicht einfach, weil eine so lange Tradition nur schwer zu verändern ist.

Besonders für die jungen Familien, die im Ausland andere Lebensweisen und -perspektiven kennenlernen, leiden oft unter den familiären Zwängen, die durchaus bis in die Entscheidungen um die Beschneidung Einfluss nehmen.

Die Beschreibung einer Szene

Erschütternd ist eine Beschreibung der Situation: „Hinter verschlossenen Türen findet der schmerzhafte Akt statt. Schreien, Weinen oder Jammern wird dabei unterbunden. Folglich ahnen viele Männer gar nicht, welch blutiger Eingriff an Babys begangen wird. Schmerzen zu haben – so lernen es schon die Kleinsten – ist kein Grund zum Jammern. Mit der Beschneidung erfahren Mädchen drastisch, dass weder Wundschmerzen noch Entzündungen, Blutungen oder Risse thematisiert werden dürfen. Sie lernen, mit ihren Schmerzen zu leben. Klaglos.“ Tagesspiegel, 05.02.2019

Weiterlesen: Eine Beschneiderin erzählt

Eine Beschneiderin erzählt, dass es in ihrer Familie Tradition gewesen sei und sie es von ihrer Mutter gelernt hat. „Es war schon immer so!“ Wir wissen alle, dass das kein kein guter Wahlspruch ist.

Warum sie aufgehört habe? Eines Tages sei ihr aufgefallen, dass die Mädchen auf der Straße die Seite gewechselt haben. „Da habe ich verstanden, dass ich den Mädchen Angst mache. Seitdem kämpfe ich gegen diese grausame Tradition!“

aus dem Film „Bologoli – Mädchenbeschneidung in Mali“ von Rita Erben

Gibt es religiöse Gründe?

Weibliche Genitalbeschneidung wird häufig als islamischer Brauch dargestellt. Tatsache ist jedoch, dass keine Religion eine Begründung für die Beschneidung von Mädchen liefern. Außerdem ist die Tradition der Genitalbeschneidung wesentlich älter, als alle bestehenden Religionen. Die jüngste Religion, der Islam, kann dabei also ganz sicher keine Rolle spielen.

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Nicht die religiöse Prägung einer Gruppe oder Familie ist entscheidend, ob eine Beschneidung von Mädchen durchgeführt wird, sondern entscheidend ist, ob die kulturelle Vorprägung der Umgebung das vorschreibt.

Es gibt aber Länder, in denen religiöse Gruppierungen FGM_C als Mittel zur Durchsetzung patriarchaler Ziele nutzen. So nutzen Islamisten und Fundamentalisten Aufrufe zur Beschneidung von Mädchen für ihre Interessen.

Dazu eine verblüffende Aussage:
„Es war 2009, als ich als Bischof nach Musoma kam“, erinnert sich der tansanische Bischof Michael Msonganzila. „Nachdem ich viele Pfarreien in der Diözese besucht hatte, stellte ich fest, dass diese Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung weit verbreitet ist, selbst unter Christen, unter Katholiken.“ Vatikan

Im Länderreport der Bundesregierung gelesen, dass in Guinea muslimische Frauen mit 99,2 Prozent betroffen sind, aber christliche Frauen mit 78,4 Prozent. Daraus kann kaum ein Unterschied herangezogen werden. Länderreport BAMF

Klima und Kriege

In vielen Teilen Afrikas haben die Klimakatastrophen der letzten Jahre die Existenzgrundlagen der Menschen zerstört. In den langen Dürrezeiten ist das Vieh verdurstet, in den Stürmen und Überschwemmungen die Häuser und Ställe zerstört worden.

In der größten Not und als letztes Zuflucht wurden zu allen Zeiten die Töchter verkauft, um durch den Brautpreis ein wenig länger zu überleben und eine Person weniger ernähren zu müssen. Die Höhe des Brautpreises wiederum ist oft abhängig von der Beschneidung und dann nicht selten vom Grad der Beschneidung. Auch hier sind wieder die Mädchen die Leidragenden.

Eine Geschichte verdeutlicht das

Kenia

Sarahs Geschichte

Die Dürreperioden im Dorf Kotulogh im kenianischen Bundesstaat West Pokot hatten viele Hirtenfamilien an den Rand des Überlebens gebracht. Sarahs Mutter, die verzweifelt nach Geld suchte, um ihre wirtschaftlichen Probleme zu lösen, verheiratete sie mit 15 Jahren für einen Brautpreis. Sarah widersetzte sich, flüchtete und suchte Schutz bei einer Organisation. „Ich wollte nicht verheiratet sein. Ich wollte meine Ausbildung beenden“, sagt Sarah.

Sarahs Weigerung verärgerte jedoch ihre Mutter, die drohte, sich das Leben zu nehmen. Sarah gab dem Druck schließlich nach. Sie kehrte nach Hause zurück, wurde beschnitten und später mit einem jungen Mann aus dem Dorf verheiratet. Doch Mitte November wurde Sarahs Ehemann Berichten zufolge von Banditen getötet – und sie war im Alter von 16 Jahren Witwe.

Sarahs Geschichte spiegelt die Notlage vieler Mädchen im östlichen und südlichen Afrika wider, die aufgrund von Naturkatastrophen einem erhöhten Risiko von geschlechtsspezifischer Gewalt, FGM und Kinderehen ausgesetzt sind.

Die Zahl der von den Auswirkungen des Klimawandels gefährdeten Mädchen, wird laut Save the Children bis 2050 weltweit um 33 % auf fast 40 Millionen steigen. Der Bericht zeigt, dass zwei Drittel der Kinderehen in Regionen mit überdurchschnittlich hohen Klimarisiken stattfinden.

Eine frühe Heirat hat einen erheblichen Einfluss auf das Leben eines Mädchens. Junge Bräute bilden sich seltener weiter, was langfristige wirtschaftliche Folgen hat. Darüber hinaus erleben sie oft Isolation und ein erhöhtes Risiko für körperliche und sexuelle Gewalt. Frühe Ehen erhöhen auch die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt.

Indepthnewes

Weitere Informationen

Klimawandel verstärkt die Not Greenpeace-Studie: Klimawandel verstärkt Migration und Konflikte.

Das Alter der Mädchen

Beschneidungen können in jedem Alter stattfinden und sind sehr abhängig von den persönlichen Umständen und der regionalen, kulturellen Prägung. Früher fand die Beschneidung als Initiationsritus häufig zwischen 6 und 12 Jahren statt. Das Mädchen wurde in die Gemeinschaft der Frauen aufgenommen und galten als heiratsfähig. Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass bereits wesentlich früher, oft im Babyalter, die Beschneidung durchgeführt wird.

Entdeckung beim Babywickeln – eine Beispiel aus Kanada

Eine kanadische Kinderbetreuerin endeckte beim Wechseln der Windeln bei einem zweijährigen Mädchen, dass die Klitoris entfernt worden war. Ihre Meldung wurde zunächst abgeblockt. True North, 05.05.2023

Eine Woche nach Entdecken dieser Meldung fand unser nächstes Online-Seminar für Kita und Grundschule statt. Als wir den Vorfall thematisierten, erzählte eine Teilnehmerin, dass in einer Fortbildung eine ähnliche Situation geschildert worden war.

Weitere Informationen

In Nigeria werden 91 Prozent der Mädchen unter 1 Jahr beschnitten. UNICEF, 06.02.2024

Eine frühe Beschneidung kann verschiedene Gründe haben. Die Mädchen können sich in dem Alter nicht so stark wehren, Knochenbrüche und Fehlschnitte werden vermieden. Aber die Schnitte in den kleinen Körper sind dafür umso gefährlicher.

Außerdem fällt bei Kleinkindern ein längeres Fehlen in der sozialen Umgebung nicht so stark auf, weil sie noch nicht der Kontrolle von Schule und Kita unterliegen.

Auch ein finanzieller Hintergrund kann vermutet werden, wenn die Beschneidung unmittelbar nach der Geburt durchgeführt wird.

Die Zweitbeschneidung

Vor einer Hochzeit kann eine Beschneidung durch die Familie des Mannes gefordert werden, wenn sie bis dahin nicht erfolgte. Hier kann auch eine Zweitbeschneidung drohen, wenn nämlich die Familie des Mannes einen anderen Typ vorschreibt.

Die traditionelle Beschneidung

Die Beschneiderinnen lernen das Handwerk von ihren Müttern. Sie werden entweder gut bezahlt oder üben ein unbezahltes hohes Ehrenamt aus. Sie verfügen in der Regel über keine anatomischen Kenntnisse. Entsprechend ungenau sind die Schnitte, die sie durchführen. Dadurch wird die ohnehin starke Verletzung, die dem Mädchen zugefügt wird, um gefährliche Schnitte in benachbarte Regionen verstärkt.

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Gefährlich ist auch, dass die Beschneiderinnen bis ins hohe Alter agieren und mit schlechten Augen und zittrigen Händen zusätzliche Probleme entstehen.

Die Beine des Mädchens werden eine lange Zeit zusammengebunden, damit die Wunden nicht aufreißen können. Das ist eine Brutstätte für Entzündungen.

Die traditionelle Beschneidung geht einher mit extremer Gewaltanwendung. Das dies meist von den wichtigsten Bezugspersonen durchgeführt wird, sorgt für den Verlust des Urvertrauens.

Die Beschneidungen werden oft an vielen Mädchen gleichzeitig mit dem gleichen Werkzeug vorgenommen, das nicht sterilisiert wird.

Entsprechend hoch ist die Gefahr der Übertragung von HIV oder andere Infektionen führen.

Auch der Ort ist in der Regel nicht hygienisch und birgt damit alle Gefahren von Infektionen.

Die Medikalisierung

Zunehmend übernimmt medizinisches Personal die Beschneidung unter klinikähnlichen Bedingungen (sogenannte Medikalisierung). Es gibt Stimmen, die dies als kleineres Übel akzeptieren, weil dadurch die Folgen des Eingriffs für die Frauen geringer seien. Positiv wird angeführt, dass hier eine hygienische Umgebung herrscht und anatomische Kenntnisse und eine Betäubung vorausgesetzt werden können.

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Auch eine adäquate Wundbehandlung wird stattfinden, wodurch weniger Mädchen verbluten oder an Entzündungen sterben. Es wird auch weniger brutale Gewalt angewendet, auch wenn die Beschneidung der Mädchen gegen ihren Willen pure Gewalt ist.

Aber die Folgen bleiben für die Frauen gravierend und es bleibt eine schwere Menschenrechtsverletzung. Außerdem widerspricht es dem Eid und dem Selbstverständnis von Ärzt*innen und Hebammen, einen Eingriff aus nicht-therapeutischen Gründen durchzuführen

Die WHO verurteilte 1982 die Beteiligung von medizinischem Personal an der Genitalverstümmelung der Frau als unethisch.

1996 hat auch der Deutsche Ärztetag die Beteiligung von Ärztinnen und Ärzten an der weiblichen Genitalbeschneidung verurteilt. Derartige Praktiken seien berufsrechtlich zu ahnden, heißt es in einer Entschließung.

Die vier Typen nach WHO

Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) hat die Beschneidung nach dem Grad der Zerstörung und der anatomischen Zuordnung der Genitalien in drei Typen unterteilt. Auch wenn die Beschneiderinnen keine Kenntnis davon haben, treten in den entsprechenden Ländern bzw. Landesteilen bestimmte Typen der Beschneidung häufiger auf. Ein vierter Typ ist für besondere Schneidungsformen. Frauen, die diese grausamen Eingriffe erleben mussten, nennen sich oft „Überlebende“.

Typ I – „Klitoridektomie“ – auch „Sunna“ genannt.

Typ I umfasst die teilweise oder vollständige Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris (Klitoridektomie) und/oder der Klitorisvorhaut (Klitorisvorhautreduktion). In manchen Ethnien wir aber nur ein kleiner Schnitt gemacht und ein Blutstropfen reicht, um das Ritual zu beenden. Hier geht es dann oft nur darum „die Reinheit“ des Mädchens herzustellen.

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Medizinisch ausgedrückt:

Partielle oder vollständige Entfernung der Klitoris und/oder der Klitorisvorhaut (Clitoridektomie). (Quelle)

Zusätzlich wird unterteilt in

Typ Ia: Entfernung der Klitorisvorhaut

Typ Ib: Entfernung der Klitorisvorhaut und der Klitoriseichel

Typ II – „Exzision“

Teilweise oder vollständige Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris und der inneren Vulvalippen mit oder ohne Beschneidung der äußeren Vulvalippen. Sie dient oft zum Zwecke der Initiation, welche den Übergang vom Kind sein zur Frau darstellt. Mädchen müssen stark sein, dürfen weder weinen noch klagen.

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Medizinisch ausgedrückt:

Partielle oder vollständige Entfernung der Klitoris und der kleinen Vulvalippen, mit oder ohne Entfernung der großen Vulvalippen. Quelle

Zusätzlich wird unterteilt in

Typ IIa: Entfernung der kleinen Vulvalippen

Typ IIb: Entfernung der kleinen Vulvalippen und ganz oder teilweise Entfernung der Klitoriseichel

Typ IIc: Entfernung der kleinen und großen Vulvalippen und ganz oder teilweise der Klitoriseichel

Typ III – „Infibulation“, „pharaonische Beschneidung“

Verengung der Vaginalöffnung mit Bildung eines deckenden Verschlusses, indem die inneren und/oder die äußeren Vulvalippen aufgeschnitten und zusammengefügt werden, mit oder ohne Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris.

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Zusätzlich wird unterteilt in

Typ IIIa: Abdeckung durch Aufschneiden und Zusammenfügung der kleinen Vulvalippen

Typ IIIb: Abdeckung durch Aufschneiden und Zusammenfügung der großen Vulvalippen

Medizinisch ausgedrückt:

Verengung der Vaginalöffnung mit Herstellung eines bedeckenden, narbigen Hautverschlusses nach Entfernen der kleinen und/oder großen Schamlippen durch Zusammenheften oder -nähen der Wundränder, meistens mit Entfernung der Klitoris. Quelle

Typ IV – Andere Beschneidungsformen

In dieser Kategorie werden alle Praktiken erfasst, die sich nicht einer der anderen drei Kategorien zuordnen lassen. Die WHO nennt beispielhaft das Einstechen, Durchbohren (Piercing), Einschneiden (Introzision), Abschaben sowie die Kauterisation von Genitalgewebe, das Ausbrennen der Klitoris oder das Einführen ätzender Substanzen in die Vagina.

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Unter diese Typisierung können auch kosmetische Operationen im Genitalbereich (Schönheitsoperationen) oder Wiederherstellung des Jungfernhäutchens gezählt werden. Auch hier ist zu fragen, ob eine freie Wahl bei den Frauen vorausgesetzt werden kann.

In fast allen Kriegen werden an Frauen der Gegenseite oft bewusst die Genitalien zerstört. Nachrichten erreichen uns immer wieder aus Afrika und dem Nahen Osten.

Medizinisch ausgedrückt:

Typ IV: Alle anderen schädigenden Eingriffe, die die weiblichen Genitalien verletzen und keinem medizinischen Zweck dienen, zum Beispiel: Einstechen, Durchbohren, Einschneiden, Ausschaben, Ausbrennen oder Verätzen, Dehnen. Quelle


Vulvalippen: Wir wollen den Begriff „Schamlippen“ nicht mehr verwenden, siehe Petition

Welche Folgen hat eine Beschneidung?

Mit der Beschneidung ändert sich das Leben des Mädchens grundlegend. Je nach Grad der Beschneidung ist das Wasserlassen eine Hölle und dauert ewig. Entsprechend hat sie Angst vor dem Gang zur Toilette, um nicht aufzufallen.

Mit der Menstruation wird es noch schlimmer. Das Blut kann nicht abfließen, es kommt zu Entzündungen. Auch die Sexualität wird zur Tortur und die Geburten können extrem gefährlich sein.

Weiterlesen Menstruation

Mit der Menstruation wird es noch schlimmer. Das Blut kann nicht abfließen, es kommt zu Entzündungen. Auch die Sexualität wird zur Tortur und die Geburten können extrem gefährlich sein.

Welche Hausmittel helfen den Frauen und Mädchen

Wir bereiteten 2010 den Start der Telefonberatung KUTAIRI vor. Bei einer Teamsitzung mit afrikanischen Frauen, fragten wir sie, was wir den ratsuchenden Frauen als Geschenk im Beratungsgespräch mitgeben könnten? Was hilft bei einer schweren Menstruation? Es waren drei Tipps, die für jede Frau interessant werden kann:

Ingwer hat eine nachweislich eine schmerzmildernde Wirkung.

Pfefferminze erweitert die Blutgefäße und tut als heißer Tee gut.

Und die bekannte Wärmflasche ist ja bei vielen Gelegenheiten praktisch. Es kann auch ein Heizkissen sein. Wäre ist jedenfalls gut, entspannt und wirkt schmerzlindernd.

Sie fragen sich vielleicht, ob Sie überhaupt mit Frauen oder Mädchen in Berührung kommen, die an ihren Genitalien beschnitten wurden oder bedroht sind. Ein erster Anhaltspunkt für Sie, ist das Herkunftsland des Mädchens oder der Familie. Die meisten Länder finden wir in Afrika, aber auch im Irak, in Malaysia und Indonesien werden Mädchen beschnitten.

Ferienbeschneidung

Die Beschneidung von Mädchen findet meist in den Ferien statt. Dann sind die Mädchen der sozialen Kontrolle von Kita und Schule entzogen und zumindest in den Sommerferien reicht die Zeit aus, die Anzeichnen der Beschneidung abklingen zu lassen.

Aber wo werden die Beschneidungen durchgeführt und wie? Wir haben intensiv recherchiert und viele Fakten zusammengetragen.

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Viele Familien legen zusammen und finanzieren gemeinsam eine Beschneiderin. Wir hören auch, dass unter den Geflüchteten selbst, Frauen mit entsprechenden Kenntnissen sind. Das geschieht in einer Gemeinschaft, die ohnehin in Angst lebt, mit ihren Bräuchen anzuecken. Aber auch in den Herkunftsländern ist die Beschneidung tabu. Niemand spricht darüber.

Zunehmend werden Beschneidungen von medizinischem Fachpersonal durchgeführt. Das geschieht aus Profitgründen, aber auch aus dem Glauben, die schädliche Praxis damit für die Mädchen sicherer und weniger gefährlich zu machen. Ärzt*innen dürfen das aus Gründen ihres Eides nicht, sollten aber auch bedenken, dass die Mädchen trotzdem ihr Leben lang leiden.

Warum sind Ärzt*innen involviert?

Was motiviert medizinische Fachkräfte, Genitalbeschneidungen vorzunehmen?

  • Sie sind häufig Teil der Community, teilen oft dieselben sozialen und kulturellen Normen.
  • Wenn sie aus verwandten Nationalitäten oder Kulturen kommen, zeigen sie möglicherweise eher Verständnis für die Bitten von Eltern, der Tradition zu entsprechen.
  • Die Aussicht auf gute Bezahlung mag viele v8n ihnen locken, wobei die Sicherheit, dass es keine Beschwerden geben kann, vielleicht noch wichtiger ist.
  • Die vielleicht häufigste Motivation dürfte die Verringerung der negativen gesundheitlichen Auswirkungen sein.
  • Selbst diejenigen, die die Praxis nicht unterstützen, können sich gezwungen fühlen, sie durchzuführen, um ein Mädchen vor den Risiken zu schützen, denen es bei einer traditionellen Beschneiderin ausgesetzt wäre.
  • Aus dieser Perspektive ist die Medikalisierung von FGM eine pragmatische Antwort auf ein unlösbares Problem, ein Mittel zur Verringerung des Schadens.

Hebammen berichten in Somalia davon, dass sie vermehrt mit Wünschen nach einer Beschneidung unmittelbar nach der Geburt konfrontiert werden.

Weitere Informationen

 Einer Unicef-Studie, (pdf) zufolge, wurde in vielen afrikanischen Ländern in jüngster Zeit eine wachsende Tendenz zur Medikalisierung von FGM_C festgestellt.

Der Begriff „Medikalisierung“ bezieht sich auf die Beteiligung von medizinischem Fachpersonal an der Durchführung von FGM_C, sei es zu Hause, in einer öffentlichen oder privaten Klinik oder anderswo.

Aus allen Prävalenzländern wird gemeldet, dass Ärzt*innen, Pflegepersonal, Hebammen, ausgebildete traditionelle Hebammen und anderes Gesundheitspersonal zunehmend in die Beschneidung selbst involviert sind.

Die Spannungen zwischen einer Nulltoleranz und einem schrittweisen Vorgehen bei der Abschaffung von FGM sind in Somalia und anderen Ländern mit extrem hohen Frävalenzraten noch lange nicht gelöst.

Diese Debatten werfen eine wichtige Frage auf: Was kann und sollte getan werden, um die Sicherheit und das Wohlergehen von Mädchen und Frauen zu gewährleisten, wenn ein Verzicht auf FGM_C kurzfristig nicht möglich ist?

Die große Mehrheit der Befürworter von Gesundheit und Menschenrechten weltweit argumentiert, dass FGM nicht nur niemals „sicher“ sein kann, sondern dass es auch keine medizinische Rechtfertigung für die Praxis gibt. Dem würden wir uns unbedingt anschließen.

In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden beispielsweise im Sudan und in Somalia traditionelle Hebammen für FGM geschult. Ärzteblatt

Die Rolle der Männer

Uns begegnet oft das Bild der unaufgeklärten Männer, die abseits stehen, an den Zeremonien nicht beteiligt sind und eigentlich gar nicht wissen, was da passiert. Ganz sicher stimmt das oft, vielleicht auch, weil Männer sich generell nur sehr wenig für gesundheitliche Themen interessieren. Allerdings sind sie letztendlich Diejenigen, für die die Tradition aufrecht erhalten wird und es gibt Informationen, dass Männer in Verantwortung durchaus beteiligt sind.

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Einige Informationen:

  • Die Beschneiderinnen in Tzansania müssen von den 10.000 Schilling, das sind ungefähr 4,50 Euro, die sie für eine Beschneidung bekommen, 10 Prozent an den Dorfältesten abgeben. Also gibt es noch eine Instanz, die ein Interesse hat, dass sich nichts ändert. Bischof Michael Msonganzila, Vatikan
  • Aus Sierra Leone erfahren wir, dass ein Dorfältester damit prahlt, ohne seine Einwilligung gäbe es keine Beschneidung. Männer haben also auch hier was zu sagen. Weiterlesen
  • Männer sind es auch, die in Kenia den Polizisten ermordeten, der sechs Mädchen vor der Beschneidung bewahren wollte und die den Bischof bedrohen, der 16 Mädchen in seiner Kirche schützte, sodass ein anderer Bischof nach dem Militär rief, um die Aktivistinnen zu schützen.
  • Es sind auch Männer, die in Gambia das Verbot von FGM aufheben wollen.

Männer spielen also durchaus eine aktive Rolle.